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Am 21. Dezember 1972, also heute vor 46 Jahren unterzeichneten Michael Kohl und Egon Bahr den Grundlagenvertrag zwischen den beiden deutschen Staaten. 
Nach der Hallsteindoktrin von 1955 (https://de.wikipedia.org/wiki/Hallstein-Doktrin) war dieser Vertrag endlich von politischer Entspannung gekennzeichnet. 
Bei Gründung der beiden deutschen Staaten 1949 entstand nämlich für die anderen Länder dieser Welt die Frage, ob und wie man beide Teile Deutschlands anerkennen würde. Die wirtschaftlich bedeutendere Bundesrepublik galt als gewinnbringender und interessanter. Die Wahl fiel besonders für die westlichen Staaten also nicht all zu schwer. Diplomatischer Kontakt wurde mit der Bundesrepublik aufgenommen. Die DDR galt dagegen v.a. als Satellitenstaat der Sowjetunion. Diese hatte ihre ehemaligen Besatzungszonen noch 1949 sofort diplomatisch anerkannt. Gefolgt von der Tschechoslowakei, so dass beim Neujahrsempfang 1950 im Präsidentenpalais in Berlin-Pankow zwei Botschafter vom DDR-Staatsoberhaupt Wilhelm Pieck empfangen werden konnten. Der tschechoslowakische Botschafter hatte übrigens extra beim Chef des Protokolls, Ferdinand Thun angefragt, welche Kleiderordnung denn gelten würde. Auf dem diplomatischen Parkett wollte der Arbeiter- und Bauernstaat sich natürlich nicht blamieren und doch neue Maßstäbe setzen. Deshalb beschwichtigte Ferdinand Thun den tschechoslowakische Botschafter. Er entschied sich schließlich für den Straßenanzug. Für Präsident Pieck wiederum war der 3. Januar 1950 sein 74. Geburtstag und er entschied sich, ohne Rücksprache mit dem Protokollchef, für den Frack. Den sowjetischen Botschafter Georgi Puschkin schmückte seinen schwarzer Anzug nach militärischer Kleiderordnung mit Schulterstücken versehen. Er trug zudem all seine Auszeichnungen. Der tschechoslowakische Botschafter beschwerte sich darauf umgehend und offiziell bei Ferdinand Thun, ihm nicht die richtige Kleiderordnung genannt zu haben. 
Insgesamt haben die DDR bis 1960 offiziell nur elf Staaten anerkannt, zumeist die unter sowjetischen Einfluss standen. In der Bundesrepublik bemühte man sich in dieser Zeit noch, den ostdeutschen Staat auch verbal zu ignorieren. Statt Deutsche Demokratische Republik oder DDR hieß es: Sowjetzone oder die Machthaber von Pankow. Bundeskanzler Konrad Adenauer intonierte in seiner rheinländischen Aussprache „Sovjettzone“ oder sprach von „Pankoff“, was noch einmal herrlich die Abhängigkeit der DDR von den Sowjets versinnbildlichte. Die in den Medien bekannt gewordenen sowjetischen Vertreter hießen: Kotikow (https://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_Georgijewitsch_Kotikow), Schukow (https://de.wikipedia.org/wiki/Georgi_Konstantinowitsch_Schukow), Tschuikow (https://de.wikipedia.org/wiki/Wassili_Iwanowitsch_Tschuikow) oder Semjonow (https://de.wikipedia.org/wiki/Wladimir_Semjonowitsch_Semjonow).
Der Text des bekannten Songs von Udo Lindenberg „Sonderzeug nach Pankow“ hat ganz gewiss mit der Erinnerung zu tun, dass die DDR v.a. in den 1950er Jahren in den Medien mit „Pankow“ gleichgesetzt worden war. 
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Im Berliner Stadtbezirk Pankow war die DDR-Regierung in dieser Zeit  in ganz besonderer Weise präsent. Neben dem schon erwähnten Präsidentenpalais (Schloss Schönhausen, damals genannt Schloß Niederschönhausen) residierte hier der Präsident Wilhelm Pieck und der Ministerpräsident Otto Grotewohl in unmittelbarer Nähe in dafür extra hergerichteten Villen (heute Majakowskiring 29 und 46). Die Kameras der DDR-Medien waren hier viel und oft unterwegs. Die Volksrepubliken Polen und Bulgarien unterhielten in Pankow Botschaften. Weil die alte Botschaft Unter den Linden nahe dem Pariser Platz im Krieg total zerstört worden war, residierte der sowjetische Botschafter zunächst bis 1951 in der Nähe des DDR-Präsidentenpalais, in einem ehemaligen jüdischen Altenheim für Taubstumme, heute Tschaikowskistraße 13. 
Am besagten Majakowskiring in Berlin-Pankow habe ich persönlich Egon Bahr zum ersten Mal 2001 als Leiter eines Ausstellungs und Begegnungszentrums getroffen. In der ehemaligen Residenz Wilhelm Piecks lud der damalige Bürgermeister Alex Lubawinski zur Aufarbeitung der frühen DDR-Geschichte. Egon Bahr ging mit mir spazieren. Plötzlich blieb er stehen und zeigte auf ein Gebäudeensemble am Ende des heutigen Rudolf-Ditzen-Weges. Hier hätte er sich mehrmals mit Hermann Axen, einem wichtigen SED-Politbüromitglied getroffen. In der DDR waren die wichtigen Gesprächspartner nicht die Minister, sondern die sie anleitenden sogenannten Politbüromitglieder.
Hermann Axen war für „Internationale Verbindungen, Internationale Politik und Wirtschaft sowie Auslandsinformation“ zuständig. Egon Bahr sprach davon, dass er auch übernachtet hätte. Das verwunderte mich doch sehr. Immerhin hätte Bahr gut und gerne sich nach Hause in den westlichen Teil Berlins bringen lassen können. Bahr lächelte und verwies darauf, dass das ein Frage des gegenseitigen Vertrauens gewesen wäre. Letztendlich wären die wichtigsten Dinge einvernehmlich beim Kognak und einer guten Zigarre nach dem supper gelöst worden. 
Michael Kohl lernte ich erst nach 2001 kennen, nicht persönlich, denn er starb bereits im Sommer 1981. Ich beschäftigte mich seinerzeit mit der Geschichte eines Wohngebietes in Berlin-Karlshorst. Die sowjetischen Geheimdienste KGB und GRU hatten hier 1963 ein kleines Sperrgebiet für sich errichtet. Unmittelbar angrenzend gab es das „Museum der bedingungslosen Kapitulation des faschistischen Deutschland im Großen Vaterländischen Krieg 1941-1945“. Drum herum wohnten nicht nur sowjetische Agenten sondern ebenfalls Mitglieder der DDR-Nomenklatura, wie beispielsweise Heinz Kessler (letzter DDR-Verteidigungsminister) oder Siegfried Böhm (DDR-Finanzminister). In der Honnefer Straße hatte man für Michael Kohl Fertighaus errichtet.
Vielleicht war es eine Art Anerkennung und ein Weihnachtsgeschenk für den Diplomaten Kohl. Im Juni 1974 wurde er Leiter der Ständigen Vertretung der DDR in der Bundesrepublik Deutschland in Bonn. Erst ab 1978 konnte Kohl das Haus in Berlin-Karlshorst wirklich nutzen.
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