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Von Anfang an hatten die Grenzanlagen der DDR am Westberliner Stadtrand einen großen
Einfluss auf die Flora und Fauna.

Das von der Mauer eingefasste Westberlin hatte aufgrund
seiner großen Wälder eine weit größere Tierwelt als man in einer Metropole mit über zwei
Millionen Einwohnern erwarten würde.
Erst in den 80er Jahren erkannten Umweltschützer den immensen ökologischen Wert des
Grenzstreifens. Und erst kurz vor dem Mauerfall machte der bekannte Naturfilmer Heinz
Sielmann diese Tatsache einer weiteren Öffentlichkeit mit seiner TV Dokumentation „Tiere
im Schatten der Grenze“ bekannt.

Vorher waren die Grenzanlagen in Bezug auf Tiere fast immer nur negativ in die Medien
gekommen, so z.B. immer dann wenn Angehörige der Grenztruppen streunende Hunde
erschossen. Der Aufschrei in den Westberliner Printmedien war in diesen Fällen kaum
geringer als in den Fällen getöteter Menschen.
Doch Hunde waren nicht nur Tötungsziel der Grenzsoldaten, sie waren auch Mitarbeiter.
Neben den rund 2.300 zweibeinigen Angehörigen der Grenztruppen die täglich im Dienst
waren und die Mauer bewachten taten dies auch über 1.000 Hunde die in den Grenzanlagen
lebten. Ihr Aufgabenbereich lag direkt neben der drei Meter hohen Hinterlandmauer zur DDR
und ihren diversen Signalanlagen. Außer in dichtbesiedelten Gebieten waren sie überall im
Grenzstreifen an Laufanlagen angeleint. Bei ihren Spaziergängen hörten die Westberliner ihr
aggressives Bellen über große Entfernungen. Im Laufe der Jahrzehnte diente eine enorme
Anzahl von „Kettenhunden“ an der Grenze Berlins. Anders als bei den Grenzsoldaten gab es
für sie keine Altersversorgung, die meisten wurden eingeschläfert wenn sie für den Dienst zu
alt wurden.

Die Berliner Tierwelt profitierte von einem enormen Unterschied zur Befestigung der
Deutsch-Deutschen Grenze zur Bundesrepublik: Es gab keine Minen und
Selbstschussanlagen. So wurde der Todesstreifen für viele kleinere Tierarten zum Refugium.
Weniger auffällig waren die seltenen Pflanzen die trotz Gifteinsatz im Grenzgebiet Nischen
zum Überleben fanden.
Und auch die Jagd war eingeschränkt. Im Grenzgebiet der DDR durften nur 100 %
systemtreue Genossen jagen, ein eigenes Jagdgewehr, wie bei westdeutschen
Weidmännern üblich, durften sie überhaupt nicht haben. Für die Jagd
mussten die Jäger des Arbeiter- und Bauernstaates im Grenzgebiet die Waffe
bei lokalen Polizeidienststellen abholen und sie spätestens nach 72 Stunden
zurückgeben.

Die wenigen Westberliner Jäger (Nur Angehörige der Alliierten vom Rod and
Gun club) und die Westberliner Förster machten manchmal die verblüffende
Erfahrung das Wildschweine im Schatten der Mauer Schutz suchten. Da die
Mauer nicht die eigentliche Grenze darstellte gab es einen Streifen auf dem
die Jäger ihnen nicht folgen konnten. Sie durften bei der Jagd auch nie in
Richtung Mauer schießen. Die keineswegs dummen Schweine scheinen das
erkannt zu haben.
Die Ostberliner und Brandenburger Wildschweine trugen unfreiwillig zur
Aufbesserung der knappen Devisenkassen bei. Viele landeten in den Küchen
westeuropäischer Gourmet Restaurants. Die Jäger erhielten auf dem Papier
einen 20-prozentigen Anteil, allerdings 1 zu 1 in Mark der DDR. Und dieser
wurden der Jagdgesellschaft gutgeschrieben, die dann mit dem Geld
Gemeinschaftsabende veranstalten durfte.
Auch wenn die Wildschweine und Rehe die eigentlichen Grenzanlagen nicht
überwinden konnten fanden sie doch ihre eigenen Wege, sie schwammen
lange Strecken und umgingen damit die Sperranlagen.
Andere Tiere gingen direkter vor. Füchse untergruben die Sperren und
Kleintiere konnten sie teilweise sogar direkt passieren. Manche Vogelarten
lernten, dass sie im Sperrgebiet besonders sicher brüten konnten.
Die Grenzkaninchen wurden sogar zum heimlichen Symbol der DDR
Opposition. Pazifistische Tiere die die Mauer nach Belieben nicht nicht über-
aber „unterwinden“ konnten. Das 1972 stattfindende „Hasenfahnenfest“ des
Ost-Berliner Künstlers Manfred Butzmann war ein alternatives Kinderfest,
fern ab von jeder SED Jugendarbeit. Es war als Persiflage auf die
Flaggenmanie der DDR gedacht. In wieweit der SED die Anspielungen auf
die Grenzkaninchen klar wurde lässt sich nicht sagen.
Für die Touristen die zum ersten Mal nach Westberlin kamen war die Größe
der Wald- und Wasserflächen eine Überraschung. Sie kamen mit der
Vorstellungetwas in der Art einer kleinen mittelalterlichen Stadt mit
Stadtmauer zu erleben. Und fanden sich in einer Stadt mit Zoo (Westberlin),
Tierpark (Ostberlin) und vielen wildlebenden Tieren in zahlreichen Parks und
Wäldern wieder. Für den Westberliner waren
Begegnungen mit Steinmardern,
Waschbären, Füchsen, Hasen, Wildkaninchen, Wildschweinen und Rehen völlig normal und
im Grenzgebiet waren sie besonders häufig.

Große Probleme stellten entlaufene Westberliner Tiere dar. Geriet z.B. ein Hund beim
Gassigehen in das Areal zwischen Mauer und eigentlicher Grenze durften Herrschen oder
Frauchen ihn nicht von dort wegholen. Auch die Westberliner Polizei durfte das Gebiet
nicht betreten. Nur die DDR Grenzer und die Soldaten der Westalliierten Garnisonen
konnten das Tier dort retten. Im Zuge der fortschreitenden Entspannung reagierten die
Grenzer in späteren Jahren meist menschlich. Sie ignorierten es wenn die Eigentümer das
Tier holten und dabei eine „Grenzverletzung“ begingen.
Mit dem Abriss der Mauer verloren die Tiere viele ihrer Verstecke im Grenzbereich. Doch
mehr und mehr kommen sie in die Stadt, so viele, dass Wildschweine inzwischen zur Plage
wurden. Besonders im Stadtrandbereich haben viele Gartenbesitzer inzwischen ihre
eigenen Grenzschutzanlagen gebaut.