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Berliner_Mauer_stuecke

Nach jahrzehntelanger Teilung hatten die Berliner in Ost und West von der Mauer die Nase voll. Deshalb gab es 1989 wenig Interesse daran, Stücke zu erhalten. Mauerspechte und Firmen im offiziellen Entsorgungs-Auftrag haben wenig übriggelassen. Besonders von der eigentlichen Mauer zu Westberlin ist fast nichts geblieben.

Nachdem die Mauer nach dem Ende der DDR so gründlich verschwand, ist es kein Wunder, dass heute jeder schäbige Rest von Teilen der Politik und Medien als vermeintlich bedeutsam bejubelt wird. Selbst wenn er gar nicht zur eigentlichen Berliner Mauer gehörte. So geschah es z.B., nachdem im August 2018 der Bezirksstadtrat von Mitte Ephraim Gothe mit Bürgern einen Kiezspaziergang unter dem Motto „ Grüne Wege in die Mitte“ in der Nähe der neuen Zentrale des Bundesnachrichtendienstes unternommen hatte. Die Gruppe folgte den Plänen für einen zukünftigen Spazierweg, als sie plötzlich auf einen Mauerabschnitt stieß.

Grothe teilte den Fund den Medien mit: „Ich freue mich, dass wir bei einem Bürgerspaziergang ein Stück authentische Mauer mitten in Mitte entdeckt haben.“ Die Gruppe war auf einer Brachfläche nahe der Ida-von-Arnim-Straße unterwegs. Als sie auf etwa 20 m Betonmauer antraf: “Ich war total überrascht, dass es noch Unentdecktes gibt,” sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur.

Ende Januar 2018 stieß man auf ein 80 m langes Mauerstück aus Steinen an der Grenze zwischen Reinickendorf und Pankow, nahe des S-Bahnhofs Schönholz. Der Architekt und Stadtplaner der Stiftung Berliner Mauer, Dr. Günter Schlusche: „Das kommt immer wieder vor, pro Jahr durchschnittlich drei bis vier Mal. Es gibt Teile der Grenzanlagen, die damals nicht beiseite geräumt oder vollständig abgerissen wurden, oder wo etwas zusammengeschoben oder von der Vegetation überwachsen wurde. Das kann dann auch ganz unspektakulär sein. Oder besser: Es sieht für die meisten recht unspektakulär aus.“

Das ist auch das Problem. Was macht man mit 20 m brüchigem Beton, an dem ein paar Stahlprofile als Lampenhalter befestigt sind? Zuständig ist das Landesamt für Denkmalpflege. Es fragte sich zunächst, was es eigentlich genau war, das da gefunden worden war. Man begann mit der Suche nach Informationen in den Archiven. Wie sich schnell zeigte, war das Mauerstück Teil der Hinterlandsanlagen. Es hinderte die DDR Bürger daran, in die eigentliche Grenzsicherungsanlage zu gelangen. „Das Betonstück ist damit kein Bestandteil der eigentlichen Mauer,“ sagte Dr. Schluche. An der Chausseestraße war ein Grenzübergang und deshalb gab es dort zusätzlich die “Vorfeldsicherungsmauer”. Das Amt beriet sich mit der Stiftung und die erklärte: „All das ist Teil der Mauergeschichte und also denkmalschutzwürdig.“

Das Mauerstück wurde 1985 errichtet, vergleichbare Stücke gibt es z.B. an der Bernauer und der Gartenstraße in Mitte. Vor ihm liegen Reste des Postenwegs, der nach der Sprengung der Versöhnungskirche angelegt wurde. Der Postenweg gilt laut Amt inzwischen berlinweit als erhaltungswürdig.

Am Mauerpark hat man 1992 die Stahlteile der Fahrzeugsperre einfach abgesägt und das Fundament zugeschüttet. Kürzlich hat man es bei Bauarbeiten gefunden, sorgfältig ausgegraben und zwischengelagert, um es später wieder vor Ort einzubauen.

Der Bezirk Mitte lehnte das Projekt des russischen Filmemachers Ilya Khrzhanovsky ab, der vom 12. Oktober 2018 an volle vier Wochen lang, ein ganzes Häuserkarree in Berlin-Mitte mit einer 800 m langen Betonmauer abriegeln wollte. Den Befürwortern waren die Gefühle der von der alten Mauer Traumatisierten offensichtlich egal. In dem für die „Kunstaktion“ vorgesehenen Areal wohnen heute Menschen. Keiner hatte sie befragt, ob sie mit ihrer „Einmauerung“ einverstanden sein würden.

Im Fall der Vorfeldsicherungsmauer an der Ida-von-Arnim-Straße hat das Landesdenkmalamt entschieden: Das Mauerstück wird unter Denkmalschutz gestellt. Es soll in die Renaturierung im geplanten Park an der Panke integriert werden. Doch ist noch völlig unklar, wie man den Besuchern die Bedeutung zeigen will. Ohne Wachtürme, Sperranlagen, Scheinwerfer und Grenzer ist es eben nur ein Stück alte Mauer. Wie Dr. Schluche einräumt, ist sie baufällig. Und ohne die Mauerkunst, die andere Reste so faszinierend macht an der East Side Gallery.

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