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Die Mauer teilte die deutsch-deutschen Gesellschaften besonders offensichtlich auf dem Reisemarkt.  Der Westdeutsche und Westberliner durfte praktisch jederzeit in fast jedes Land der Welt reisen. Seinem Heimatland waren seine Reisen völlig egal.

Ganz anders in der DDR.  Auch mit Visum durfte der DDR-Bürger nur in die sozialistischen Bruderländer reisen. Der Westen war für die meisten tabu. Es gab „Reisekader“ die die Genehmigung hatten in den Westen zu reisen, aus wirtschaftlichen oder wissenschaftlichen Gründen von ihren Unternehmen oder Universitäten dafür ausgewählt. Doch das waren nur wenige und einige nutzten die Gelegenheit zur Flucht.

Auf dem Papier war der DDR Tourismus großartig. Bei der Staatsgründung 1949 schrieb die DDR für jeden Arbeitenden das „Recht auf Erholung“ und „auf jährlichen Urlaub gegen Entgelt“ in den Artikel 16 der Verfassung. Das „Handbuch der DDR“ lobte das sozialistische Urlaubssystem als „große soziale Errungenschaft der DDR“.

Die Beschaffung der Ressourcen war typisch DDR. 1953 durchsuchte eine große Zahl Polizisten in der „Aktion Rose“ mehr als 700 private Hotels, Gaststätten oder Pensionen an der Ostseeküste.

Der absurde Vorwurf: Die Hoteliers würden „illegal eingeführte Westwaren“ verkaufen und für die „Agentenzentralen des amerikanischen Imperialismus“ arbeiten. Am Ende der Aktion wurden 440 Besitzer einfach als Westagenten verhaftet.

60% des Tourismus wurden in der DDR über Betriebe und den Staat organisiert. Der FDGB Feriendienst führte rund 2 Millionen Reisen pro Jahr durch. Das staatliche Reisebüro der DDR war ein VEB, die FDJ hatte ab 1975 ein eigenes Jugendreisebüro. Bei Jugendtourist konnten alle Bürger vom 16. bis zum 25. Lebensjahr buchen. Bekannt war aber, dass auch Ältere mitgenommen wurden, wenn noch Plätze frei waren. Und man Beziehungen hatte.

34 % der Übernachtungen entfielen 1989 auf Einrichtungen der Betriebe, 26% auf Campingplätze, 19% auf FDGB-Hotels, 17 % auf Jugenderholungseinrichtungen und 4% auf sonstige.

Diese offiziellen Zahlen trügen. Es fehlen die Übernachtungen in privaten Unterkünften, diese machten in den touristisch stark frequentierten Orten den Großteil der Übernachtungen in der Feriensaison aus. Durch diese privaten Touristen kam es in den Ferienorten immer wieder zu spürbaren Lieferengpässen bei der lokalen Versorgung mit Lebensmitteln und Gütern des täglichen Bedarfs.

Die Sorge um den Sommerurlaub begann für DDR-Bürger schon im Winter. Zu einem festen Termin mussten die Bestellscheine für Busfahrten oder für begehrte Auslandsreisen in den Ostblock beim DDR-Reisebüro eingegangen sein. Von 1000 Anträgen wurden jeweils nur etwa 30 genehmigt Das war dann wie ein großer Lottogewinn, bezahlt mit einem der begehrten rosafarbenen „FDGB-Ferienschecks“. Diesen FDGB-Ferienscheck bekam der Antragssteller statistisch, nur alle fünf Jahre.

Nur ein Drittel der Kosten mussten die Urlauber selbst zahlen, das galt auch für die Hinreise mit der Reichsbahn. Zwei Wochen Vollpension im Ostseebad Boltenhagen kosteten 1965 nur 95 Mark pro Person.

Der Ton aber war seltsam. Auf den Ferienschecks stand „Einweisung ins FDGB-Urlauberdorf“ und das Essen gab es in „Verpflegungsstellen“ Der Sozialversicherungsausweis musste vorgelegt werden, Sportkleidung wurde ausdrücklich erwartet. So mancher musste den Chef beim kollektiven Mittagessen ertragen. Der Komfort war überschaubar, die Wasserhähne tropften, Betten quietschten -und jeden Morgen begann der Kampf um die Etagendusche. 10% des DDR-Haushalts floss in die subventionierte Ferien, doch das Angebot deckte nie die Nachfrage.

Wer den Massenbetrieb vermeiden wollte campte, mehr als 500 Zeltplätze gab es am Ende in der DDR, die größten mit bis zu 5000 Stellplätzen. Wer Glück hatte besaß einen Wohnzeltanhänger wie den „Klappfix“ oder das „Campifix“.

Die Stellplätze waren begehrt und mussten monatelang vorher bei der Zentralen Campingplatzvermittlung beantragt werden.

Selbst die sozialistischen Bruderländer konnte man als normaler DDR-Bürger nicht ohne Probleme bereisen, das fing schon bei den Devisen an. Auch die Freundesländer waren nicht scharf auf die DDR Währung. Zehntausende Bürger standen stundenlang an für Reiseanträge für Bulgarien, die CSSR oder Ungarn.  Bei Erfolg stopften sie ihre Trabbis mit Lebensmittel voll da offiziell nur ein Tageshöchstsatz umgetauscht werden durfte. In der CSSR lag der beispielsweise bei nur 30 Mark. Da fühlte sich der DDR Reisende als Urlauber zweiter Klasse, wenn er am Plattensee plötzlich auf einen Westdeutschen traf.

Und natürlich wollte man Fluchten vermeiden. 1968 richtete die DDR für Balkanreisen eine Ausweichstrecke durch die UdSSR ein. Man benötigte hierfür ein Transitvisum. Mit diesem 3 Tage Visum wurden die Grenzen der UdSSR für Individualtouristen durchlässig, was in einigen Fällen zu unerlaubten Ostreisen führte. Man musste bei der Beantragung der Einreise die genaue Fahrtroute sowie die einzelnen Tagesziele angeben. Es gab Gebiete, die aus militärischen Gründen für alle Ausländer gesperrt waren und man konnte man sich verfahren aber auch Pannen haben und festsitzen. Daher musste man sich jeweils am Tagesziel bei der Miliz melden, die über die Ankunft vorinformiert war. Geschah das nicht, wurde eine Suchaktion ausgelöst.

Ab 1973 waren Reisen nach Kuba möglich, sie waren sehr teuer und fast nur Kadern vorbehalten.

Der Großteil der Gruppenreisen erfolgte per Flugzeug, in Ausnahmefällen mit der Bahn (z.B. die Erlebnisreise mit der Transsibirischen Eisenbahn von Moskau nach Wladiwostok). Die Flugreisen begannen und endeten stets am gleichen Flugplatz. Im Ausland traf man auf einen lokalen Dolmetscher, im Regelfall ein Agent des jeweiligen Geheimdienstes. Der aber nicht mit dem DDR Reiseleiter geheimdienstlich zusammenarbeitete.

Das Reisebüro der DDR war eigentlich eine Filiale der Stasi. Die meisten festangestellten Repräsentanten und Chefrepräsentanten des Reisebüros der DDR und auch die ehrenamtlichen Reiseleiter arbeiteten als IM oder Agenten des MfS. Die ehrenamtlichen bekamen die Reise bezahlt, musste aber für die Reisezeit ihren Urlaub verwenden. Ehefrauen mussten voll für die Reise zahlen. Gab es Pannen, für die der Reiseleiter verantwortlich gemacht wurde, musste er persönlich für den Schaden haften. Der GAU war ein Flüchtling bei einer Auslandsreise.

So ist es kein Wunder, dass die Reiseleiter ständig Druck auf die Reisenden ausübten. Immer schön alphabetisch geordnet Schlange stehen und keine unerwünschten Kontakte mit Ausländern.

Als 1989 die Massenproteste das DDR-System erschütterten, wollten viele neben mehr Demokratie auch etwas völlig Undenkbares: „Visafrei nach Hawaii!“ So wählte die Gesellschaft für deutsche Sprache 1989 „Reisefreiheit“ zum Wort des Jahres.

Glienicker Brücke