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Die Bronzestatue des sowjetischen Soldaten im Tiergarten von Lew Kerbel. Das Denkmal soll an die gefallenen Rotarmisten gedenken.

Seit dem 18. Jahrhundert leben Russen in Berlin. Ihre Zahl stieg im 20. Jahrhundert enorm, die russische Revolution brachte tausende weißrussische Flüchtlinge in die Stadt. 

Das Kriegsende  1945 brachte enorme Umbrüche für Deutschland und den Rest der Welt. Die Teilung Deutschlands  in eine sowjetische Einflusszone und drei westalliierte Zonen war bedeutsamer, als man zunächst annehmen konnte. Historisch war die Besetzung eines besiegten Feinds nichts Neues. Doch nur die Sowjetunion hatte feststehende politische Pläne für ihre Besatzungszone. Stalin und die kommunistische Partei der Sowjetunion hatten schon vor dem Krieg deutsche Kommunisten aufgenommen und im Krieg wurden Exilanten auf die Bildung einer sozialistischen Regierung in Deutschland vorbereitet. 

 Zu den langfristigen Voraussetzungen für das Bleiben der Roten Armee gehörte es den Deutschen die Russen als Freunde darzustellen. Doch das war ausgesprochen schwierig. Die Exzesse die Angehörige der Armee in Deutschland begingen trübten das Bild nachhaltig. Allein in Berlin gehen die niedrigsten Schätzungen von 100.000 Vergewaltigungsopfern aus, andere Autoren nennen bis zu 800.000. 

In der Sowjetzone war das Thema tabu, als evangelische Kirchenvertreter  die offizielle Aussetzung des Abtreibungsverbots im § 218 auszusetzen wurde das abgelehnt. Es sei unmöglich, dass man Angehörigen der Roten Armee derartige Verbrechen unterstelle. Im Westen funktionierte dieser Maulkorbbefehl natürlich nicht. 

Die Taten waren nicht zu leugnen. Stattdessen begann eine intensive Propaganda, die Rotarmisten seien als Freunde und Befreier gekommen. Stalins Propagandamaschine war durchaus erfolgreich, sie verminderte die Leistungen der Westalliierten und betonte die Rolle Russlands bei der Niederwerfung des Nationalsozialismus. Der Begriff “Freunde“ wurde bald synonym für Sowjetbürger verwendet. Die Bevölkerung benutzte den Begriff aber oft mit einem kritischen Unterton. 

„Von den Sowjetmenschen lernen heißt siegen lernen“ war ein Slogan der auf Plakaten und im Radio verbreitet wurde. Die Sowjetunion sei das fortschrittlichste Land der Welt. Im Oktober 1957 lieferte man den scheinbaren Beweis, mit dem Sputnik ging die Sowjetunion bei der Weltraumforschung in Führung. Und im April 1961 war Juri Gagarin der erste Mensch im All. Der Westen, besonders die USA, erlitt einen Schock. In der DDR lobte man den Sozialismus als vermeintliche Basis des Erfolgs. Niemand erwähnte die 1945 nach Russland verschleppten deutschen Wissenschaftler. Die USA hatte Prominente wie von Braun eingesammelt, die Rote Armee aber die unbekannten Macher die die Ideen umsetzten. 

Der Kalte Krieg fand auch in den Wissenschaften statt. 1960 erschien in der Bundesrepublik Werner Kellers Buch: Ost minus West = Null. In ihm schilderte er den westeuropäischen Einfluss auf Kunst und Wissenschaft vom 15. Jahrhundert bis zu seiner Gegenwart. Er nennt zahlreiche Fremde die in der sowjetischen Geschichte zu Russen wurde, lange vor Peter dem Großen gab es den westlichen Einfluss. Auf den Besitz des Buchs stand in Ostberlin Haft. 

Unangenehme Fragen konnte man mit Hinweis auf die deutsche NS Schuld abwehren. Reparationsleistungen und Verschleppungen wurden als Folge des NS Staats erklärt. 

Russland wurde auch als kulturelles Vorbild dargestellt. Man sorgte für die Verbreitung sowjetischer Literatur und hoffte so die Bevölkerung leichter zu gewinnen. 

Am 30. Juni 1947 wurde die  Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion gegründet. Rund zwei Jahre war sie tätig, dann ging sie in der am 2. Juli 1949 gegründeten Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft (DSF) auf. 

Der Russischunterricht in den Schulen war obligatorisch und zusammen mit der FDJ förderte die Organisation Brieffreundschaften zwischen deutschen und sowjetischen Kindern und Jugendlichen. Tausende Kinder wurden in die Sowjetunion in Ferienlager gebracht. Die DSF organisierte in jedem Mai eine DDR-weite Woche der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft. 

Nimmt man die reinen Mitgliederzahlen, dann war die DSF ein voller Erfolg. Die Mitgliederzahl stieg immer weiter, so von 3,5 Millionen 1970 auf 6,4 Millionen im Jahr 1988. Doch war die Mitgliedschaft nicht wirklich freiwillig. Wer in der DDR keine Nachteile riskieren wollte musste irgendeiner SED nahen Organisation beitreten. Und die einfachste Lösung war der Beitritt zur DSF. Eine Weigerung zum Eintritt in die DSF wurde von Partei- und Gewerkschaftsfunktionären sowie Lehrern und staatlichen Leitern hinterfragt. Die betroffene Person musste die Ablehnung schriftlich begründen.

Sie führte zwar nicht automatisch zu direkten Problemen für den betreffenden DDR-Bürger, doch wer Karriere machen wollte musste Mitglied in irgendeiner Organisation sein. Wollte eine Brigade aus Arbeitern oder Bauern im sozialistischen Wettbewerb eine Auszeichnung erringen, war eine Mitgliedschaft aller in der DSF eine Grundbedingung. Der Gruppendruck war entsprechend hoch. 

In der Praxis waren viele Mitglieder nur passiv und haben nie eine Veranstaltung der DSF besucht. Die Mitgliedschaft reichte schon um die „gesellschaftliche Aktivität“ auf Mindestniveau nachzuweisen.

Auch in West-Berlin war die DSF ganz offiziell als Deutsch-Sowjetische Freundschaftsgesellschaft tätig. Sie betrieb bis 1990 am Kurfürstendamm die Majakowski-Galerie. Aufgrund des Viermächte-Status war sie eine zulässige Organisation, auch wenn sie als verfassungsfeindlich eingestuft wurde.

In der Bundesrepublik wurden DSF Ableger gegründet doch sie wurden in den meisten Bundesländern verboten. Da auch die KPD dort  ab dem 17. August 1956 verboten war konnte das nicht verwundern.

Mit Glasnost wurde die DSF zu einer Organisation die für die SED äußerst problematisch war. Neue Mitglieder waren besonders am politischen Tauwetter in Russland interessiert. Dies aber wurde von der DDR-Partei- und Staatsführung unverhohlen abgelehnt. Die Oktoberausgabe 1988 der sowjetischen Zeitschrift Sputnik löste sogar ein Verbot der Zeitschrift in der DDR aus. Die in ihr erfolgte Kritik an Stalins Pakt mit Hitler schien der SED untragbar. Erst im November 1989 erschien nach dem Mauerfall eine Sonderausgabe, sie brachte die verbotenen Artikel seit Oktober 88, 

Die DSF Offiziellen hatten Anweisung zwar zu informieren, aber jede Stellungnahme oder gar Diskussion über die Verhältnisse in der DDR zu vermeiden. Doch nicht alle DSF Funktionäre hielten sich daran.

Am 16. November 1989 trat der DSF Präsident Erich Mückenberger zurück, am 29. folgte das Sekretariat. Erstmals in der Geschichte der Gesellschaft für DSF wurde für Januar 1990 ein außerordentlicher Kongress in Schwerin einberufen. Doch die DSF als Massenorganisation war tot.  Die von der Gesellschaft genutzten „Häuser der Freundschaft“ wurden an die Länder und Kommunen übergeben, die Zahl der Mitglieder sank bis November 1991 auf 20.000

In Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen überlebte die DSF als eingetragener Verein auf föderativer Basis. Am 28. März 1992 erfolgte die Namensänderung der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft in „Brücken nach dem Osten“ – Föderation von Gesellschaften für Völkerverständigung e. V. Diese wurde am 31. Dezember 1992 aufgelöst

Neben der DSF waren zahlreiche Organisationen Teil der Propagandamaschine. Besonders natürlich die Schulen und Universitäten in der DDR. Die Deutsch-Russischen Beziehungen über die Jahrhunderte wurden ganz im Sinne der sozialistischen Geschichtsschreibung parteiisch dargestellt. 

Und bestimmte Themen waren tabu oder es wurde einfach gelogen.

Der im April / Mai 1940 von NKWD Angehörigen bei Katyn begangene Massenmord an rund 4400 gefangenen Polen und weitere Morde an bis zu 21.000 polnischen Offizieren und Intellektuellen, wurde im Sommer 42  durch die Auffindung der Massengräber bekannt. 

Da das unter Nazikontrolle erfolgte konnte die Sowjetunion ihre Verantwortung leugnen. An dieser Darstellung hielt sie bis 1990 fest. Es war der Initiator des Berliner The Wall Museum, Michail Gorbatschow, der am 13.April 1990 die Verantwortung der Sowjetunion eingestand. 

Doch noch lebende  Täter wurden nicht strafverfolgt. Opferangehörige klagten in Russland erfolglos auf Einsicht in die Ermittlungsakten, behördliche Auskunft über die Todesumstände der Opfer, deren juristische Rehabilitierung und Entschädigungen. 

In der DDR waren Katyn und die andere Morde des NKWD natürlich von den Nazis begangene Verbrechen und die westliche Darstellung sei ein Zeichen für die Macht der “Neofaschisten“ in der Bundesrepublik. 

Obwohl im Westen im allgemeinen von der sowjetischen Täterschaft ausgegangen wurde waren Historiker, die das erwähnten, immer in Gefahr in die rechte Ecke gestellt zu werden.  Denn Holocaustleugner benutzten die sowjetische Katyn Leugnung als Material für ihre kruden Theorien. In einigen Fällen haben bundesdeutsche Staatsanwälte vor 1989 wegen Katyn Ermittlungsverfahren eigeleitet, nicht wegen der sowjetischen Leugnung sondern wegen möglicher Leugnung von NS-Verbrechen.

Die DDR Propaganda zeigte Russland als ewiges Opfer deutscher Aggression.  Sergei Eisensteins monumentaler Film Alexander Newski von 1938 bestimmt bis heute die Wahrnehmung der Frühzeit der Deutsch-Russischen Kontakte. Das Newski und die Nowgoroder Bojaren um 1240 in Estland und Livland dieselben Ziele wie der Deutsche Orden hatten wird nicht erwähnt. Der vermeintlich mächtige Orden hatte zur Schlacht auf dem Peipussee zwischen 50 und 100 Ordensritter entsandt. Die Masse waren etwa 700 dänische und deutsche Ritter und 1.000 Esten. Sie  verfolgten Newskis Heer über den zugefrorenen See um den Rus die Beute ihres Kriegszugs nach Estland und Livland wieder abzunehmen. Die Nowgoroder Chronik der Rus spricht von 400 toten und 50 gefangenen “Nemtsy“, was damals Deutsche und Dänen meinte. Die deutsche Livländische Reimchronik nennt 20 tote und 6 gefangene Ritterbrüder. Newski hatte keineswegs das Land der Rus gerettet, vielmehr musste er sich zu dieser Zeit der Goldenen Horde unterwerfen die die Stadtstaaten zerstört hatte. Es sollte über 200 Jahre dauern bis die Rus wieder eine Rolle spielten. Erst Iwan I. machte Moskau zur nennenswerten  Macht. 1494 wurden in Livland russische Kaufleute ermordet, als Reaktion wurde wieder einmal der Petershof in Nowgorod geplündert und die Hansehändler eingekerkert. Doch diesmal kehrten die deutschen Händler nicht zurück. Polen und die skandinavischen Länder dominierten die Region bis ins 17. Jahrhundert.. 

Die sowjetische Führung hat dafür gesorgt, dass praktisch jede Stadt in der DDR ein sowjetisches Ehrenmal für den 2. Weltkrieg hatte. Oft mit einem Soldatenfriedhof kombiniert. In Berlin wurden vier angelegt.  Die Hauptanlage liegt im Treptower Park, weitere in der Schönholzer Heide in Pankow, im Bucher Schlosspark und in Tiergarten.

Das letztere Ehrenmal lag im britischen Sektor Westberlins. Der Viermächtestatus erlaubte der Roten Armee dort Ehrenwachen zu postieren. Nach dem Mauerbau 1961 wurde es durch die britische Besatzungsmacht abgeriegelt, doch bis zum 22. Dezember 1990 blieben die Wachen. Dann ging das Ehrenmal an das Land Berlin über. Deutschland ist vertraglich verpflichtet die Kriegsgräberstätten zu erhalten. 2014 erfolgte die letzte größere Renovierung, eine dazu befragte Historikerin hatte die Farbe der Sterne auf den Panzern mit weiß angegeben, der Irrtum fiel erst nach Fertigstellung auf. Russische Proteste führten zur Änderung in das korrekte Rot. Dagegen sind reine Denkmale oft verschwunden, so der T-34 Panzer am Grenzübergang Dreilinden. 

Eher wenige Touristen besuchen die sowjetischen Ehrenmale heute. Aber der Treptower Park ist eine beliebte Erholungsstätte der Berliner. Er liegt direkt an der Spree, nur wenige Kilometer von der Eastside Gallery und dem The Wall Museum entfernt. Da die vier Ehrenmale auch Friedhöfe sind ist ihr Bestand gesichert. Doch es gibt Proteste gegen sie und immer wieder auch Anschläge.  Das Deutsch-Russische Museum in Karlshorst hat eine Dauerausstellung zum Krieg 1941-45. Sie ging aus dem Museum der sowjetischen Streitkräfte hervor. 

Heute ist Berlin wohl die deutsche Stadt mit den stärksten russischen Einflüssen. 

Das Russische Haus der Wissenschaft und Kultur ist heute die offizielle Kulturvertretung der russischen Föderation. An der Französischen Straße gelegen hat es einen Konzertsaal mit rund 500 Sitzplätzen, ein Kino mit 200, vier Ausstellungsräume und einen Musiksalon. Es hat jährlich rund 200.000 Besucher. 

Viele russische Künstler stellen in Berliner Galerien aus. Dazu gibt es zahlreiche russische Geschäfte die Lebensmittel, nicht nur für die vielen russischen Emigranten, anbieten. Und Restaurants mit russischen Spezialitäten. Deutsch-Russische Schulen und Kindergärten bieten eine zweisprachige Erziehung. Und nicht zu übersehen sind die orthodoxen Kirchen in der Stadt. 

Seit der Perestroika und Gorbatschow ist das Bild Russlands in ganz Deutschland deutlich positiver geworden. Doch Putin hat das Bild wieder verschlechtert. Das erneute Machtstreben Russlands wird von vielen kritisch gesehen. Ein Berliner Mord an einem Georgier 2019 wird von den Medien dem russischen Geheimdienst zugerechnet.

The Wall Museum Berlin